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Von Voss nach Flåm

Der Tag beginnt etwas enttäuschend. Der Wetterbericht hatte Sonnenschein mit Wolken versprochen und ich wurde auch von einem Sonnenstrahl geweckt. Aber nach dem Duschen sieht es dann doch so aus, als würde es ein trüber Tag werden. Hauptsache es regnet nicht, denke ich und gehe in das gegenüberliegende Haus zum Frühstücken. Danach auschecken – eine amerikanische Oma erzählt mir dabei noch von ihren gestrigen Erlebnissen mit ihrer Enkelin beim Reiten, was ich hochinteressant finde – und es geht los.
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Heute geht es entlang der Bergenbahn auf die Hardangerwidda. Es geht also gut bergauf. Doch zunächst heißt es erst einmal überflüssigerweise vom Hotel bergab zu fahren. Am Ortsausgang von Voss mache ich noch einen Schlenker in ein hässliches Einkaufszentrum, das ich am Vorabend auf Google-Earth entdeckt hatte, so dass ich mich noch mit etwas Vorräten für die Fahrt in die Wildnis eindecken kann. Draußen spricht mich ein älterer Mann an und fragt, wie ich denn die versteckte Einkaufsmöglichkeit hier gefunden hätte. Internet heißt meine Antwort und bewundernd geht er zu seinem Wagen.
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Gleich hinter Voss geht es schon mal gleich gut bergauf. Die Straße ist sehr ruhig, was ja auch nicht verwundert, da es sich letztendlich um eine Sackgasse handelt. Nur die Bergenbahn führt weiter über die Hardangervidda in Richtung Oslo. Eigentlich könnten hier doch schon Elche herumspringen. Das Straßenschild warnt aber nur vor Hirschen, die auf dem Schild recht sprunghaft aussehen ;-).
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Zwischendurch gibt es immer wieder mal einen Zug zu sehen. Auch die Deutsche Bahn ist mit Containern vertreten.
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Die Straße steigt beständig an – meist mit 6-10%, manchmal auch darüber. Ärgerlicherweise geht es auch immer wieder mal bergab, so dass man die verlorenen Höhenmeter noch einmal nacharbeiten darf :-(. Auf halbem Weg fällt eine völlig überdimensionierte Kirche im typischen norwegischen Stil auf.
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Ich frage mich, wo die Gläubigen hier alle her kommen sollen, zumal es in den einzelnen Dörfern ja auch Kirchen hat.
Langsam wird die Gegend rauer. Der Blick wird frei auf die typisch felsigen, mit Schnee durchsetzten Berge der Hardangervidda. Und: Die Sonne kommt raus – wie herrlich!
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In Mjørfjell ist die Hochebene mit zig Ferienhäusern durchsetzt.
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Bei Durchfahrt hört man schon von weitem das Rauschen eines großen Wasserfalls über den oberhalb die Strecke der Bergenbahn führt.
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Schließlich ist die geteerte Straße zu Ende und es geht weiter auf dem berühmten Rallarvegen, der damals beim Bau der Bergen- und der Flåmbahn angelegt wurde.
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Heute dient er vor allem Radfahrern. Vor allem auf der anderen Seite des Scheitelpunktes der Bahn ist die Strecke sehr beliebt. An Wochenenden können dort mehrere tausend Radler unterwegs sein (sozusagen der Donautalradweg von Norwegen 😉 ). Nicht so unter der Woche und auch nicht auf der Westseite. So habe ich die schöne Wegstrecke weitgehend für mich allein. Nur ein junges Pärchen, das auch mit Gepäck unterwegs ist, treffe ich mehrmals. Der grobe Schotterweg hat es in sich für mein mit Gepäck beladenes Bike. Aber die schönen Ausblicke entschädigen für die Mühe und bei sehr steilen Stücken schiebe ich auch mal ein paar Meter.
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Es geht an herrlichen Wasserfällen und Seen entlang.
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Und immer wieder kommt natürlich auch die Bahnstrecke uns Blickfeld.
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Die Schotterpiste führt weiter Richtung Osten und immer wieder gibt es schöne Fotomotive.
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Schließlich ist Upsete erreicht – von hier geht es nur noch auf schmalen Wanderpfaden weiter. Für mich bleibt die Weiterfahrt mit dem Zug durch den Tunnel nach Myrdal. Zunächst heißt es aber den Bahnhof zu finden. Mir wird erst nicht so recht klar, dass der Zugang durch das Viehgatter führt.
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Eigentlich klar, dass es hier oben keine Bahnhofsstrasse als Zufahrt gibt. Das Bahnhofsschild am Bahnhofsgebäude gibt dann Gewissheit. Der Blick vom Bahnhof ist herrlich.
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Ich habe noch 45 Minuten Zeit bis der Zug kommt und mache es mir daher auf der Sonnenbank bequem. Eine Dame, die sich wohl um die Zugreisenden kümmert, spricht mich an, wohin ich fahren wolle und macht mich darauf aufmerksam, dass ich kräftig winken müsse, wenn der Zug kommt, damit er auch anhält. Gut zu wissen, denke ich! Interessant ist auch die Warntafel, die auf die Gefahren aufmerksam macht. Etwas pikant finde ich, dass nach der Warnung vor dem Starkstrom der Oberleitung eine gute Reise gewünscht wird. Das könnte auch zweideutig gemeint sein ;-).
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Schließlich kommt aus der Gegenrichtung ein seltsames Gefährt aus dem Tunnel.
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Bei näherem Hinsehen handelt es sich um einen Müllzug, mit dem wohl von den Gebieten hier oben der Müll abtransportiert wird. Dann kommt der Triebwagenzug nach Myrdal, das direkt auf der anderen Seite des Tunnels liegt. Das Fahrrad ist schnell verstaut und da der Kontrolleur wohl keine Lust hast, ist die kurze Fahrt auch noch kostenfrei.
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In Myrdal, das eigentlich nur aus einem Umsteigebahnhof im Gebirge besteht, wird einem klar, dass man nun bei einem Highlight jeder Norwegenreise angekommen ist: die Flåmbahn. Asiaten, Inder, Araber, Europäer und Amerikaner mache ich in dem Gewusel am Bahnsteig aus.
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Eigentlich wollte ich mit der Bahn hinunter nach Flåm. Aber der Zug wird sicher ziemlich voll, denke ich und das Wetter ist klasse. Warum nicht den Rallarvegen nach Flåm nehmen. Eigentlich hatte ich etwas bei der Planung davor zurückgeschreckt, da der Weg sehr steil und grob,schottrig sein soll. Gerade am Anfang sind zig Haarnadelkurven bei einem Gefälle von 15-20% nicht ohne. Aber ich kann da ja auch schieben, sag ich mir und los gehts.
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Die Planänderung hat sich als richtig herausgestellt. Die steilen Haarnadelkurven sind inzwischen ausgebaut und fein geschottert.
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Trotzdem schiebe ich in den steilen Bereichen. Immer wieder überholen mich Mountainbiker. An einer Stelle ist ein französisches Pärchen damit beschäftigt Videoaufnahmen zu machen. Er filmt und sie muss ein Stück bergab fahren. Allerdings klappt das nicht auf Anhieb, so dass die Arme 5-mal den Abschnitt runter und 4x wieder rauf zurücklegen muss, bis der Dreh für den Mann perfekt ist. Die Kulisse ist klasse. Zig Wasserfälle rauschen und man ist leicht abgelenkt vom Weg.
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Nach den Haarnadelkurven wird es gemütlicher. Auf einen Wiesenplateau sind zahlreiche Ziegen zu Hause, die es sich in der Sonne gemütlich gemacht haben.
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Teilweise halten sie sich aber auch gerne auf dem Weg auf und kümmern sich wenig um die Radfahrer, die weiter wollen. Nur unter starkem Protest wird der Weg schließlich frei gemacht. Und wieder wird ein Wasserfall gequert – dieses Mal sogar mit einem schönen Regenbogen.
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Rasant geht es weiter nach unten. Über 800 Höhenmeter geht es insgesamt bergab. Auch ein Tunnel wird durchfahren.
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Und immer wieder kommt auch die Bahnstrecke der Flåmbahn in den Blick, die eigentlich vor Jahrzehnten stillgelegt werden sollte, dann aber zu einem Tourismusmagneten vermarktet wurde, was bis heute hervorragend funktioniert.
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Kurz vor Flåm mache ich noch einmal Rast in der Sonne und bin froh über die Entscheidung, nicht mit der Bahn bergab gefahren zu sein.
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Schließlich rolle ich in das Dorf und kann irgendwie meinen Augen nicht trauen, als ich das große Kreuzfahrtschiff direkt vor mir und rechts mein Hotel, das dagegen richtig klein wirkt, ausmache.
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Nach dem Einchecken mache ich aus meinem Hotelzimmer noch einmal ein schönes Bild. Was für ein Blick!
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Nach dem Duschen schaue ich mich noch etwas im Dorf um. Alles ist hier sehr stark auf den Tourismus ausgerichtet. Riesengroße Andenkenläden locken mit tollen Sachen. Welcher Troll darf es denn sein für zum Abstauben daheim?
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Als ergiebiger erweist sich für mich die Nachfrage bei der Touristeninfo, wie man am besten auf die andere Seite des Sognefjords kommt. Ich hatte ursprünglich geplant erst mittags mit einer Fähre nach Gudvangen zu fahren dort umzusteigen und dann nach Kaupanger zu schippern. Dann hätte ich erst am Nachmittag mit dem Radfahren starten können. Genau richtig zum vorher gesagten Regen. Nach etwas Hin- und Her hat der nette Mann einen Geheimtipp. Das schwarze Boot fährt morgen früh um 6 (in Worten „sechs“) Uhr auf die andere Seite nach Leikanger. Ich soll mich etwas ne viertel Stunde vorher dort einfinden. That’s. the best choice, sagt er und leider hat er wohl Recht :-(. Also heißt es morgen früh raus. Hoffentlich fährt das Boot … .
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Der Tag im Überblick:

Etappe 6a:
Voss – Mjørfjell – Upsete (weiter mit dem Zug nach Myrdal)
Gesamtlänge: 45,39 km, Aufstieg: 983m, Abstieg: 290m
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Etappe 6b:
Myrdal – Flåm
Gesamtlänge: 19,13 km, Aufstieg: 23m, Abstieg: 867m
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