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10. Etappe: Rouaine – Nice

Nach einer ruhigen Nacht – trotz Nationalstraße vor der Tür – und einem etwas spärlichem Frühstück galt es zur letzten Etappe durch abgeschiedene Gegenden nach Nizza aufzubrechen. Schon nach 200m zurück in Richtung Annot zweigt rechts eine kleine Strasse hinunter zum Fuß des Tales ab. Danach folgt eine weitere Abzweigung vor einem schönen Felszacken nach Rouainette (drolliger Name für den Teilort von Rouaine) ab; ich fahre jedoch links in Richtung Montblanc (wie sich später herausstellt, ein besonders beeindruckender Ort).
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In den insgesamt nächsten 5 Stunden überholen und begegnen mir vielleicht insgesamt 10 Autos. Die Strasse verläuft zum Teil eben, zum Teil jedoch auch mit 3 – 7% Steigung (vereinzelt auch mal mehr) durch das Tal nach oben.
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Nach 300 Höhenmetern ist die Passhöhe, der Col de Laval erreicht. Ein schönes Plätzchen!
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Danach geht’s in rasanter Abfahrt hinunter. Die Strasse ist überbreit, gut asphaltiert und übersichtlich, so dass der Tacho schnell über 50km/h kommt. In der Ferne sieht man bereits den nächsten Paß, den Col de Trébuchet.
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Schließlich wird der Ort Montblanc erreicht. Ist der Mont-Blanc der höchste Berg Europas, ist dieser Ort mit gleichem Namen vielleicht der kleinste Ort Europas! Zumindest sieht man vom Ortsanfangsschild aus direkt das Ortsendeschild. Dazwischen steht genau ein Haus!
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Während ich hier ein Foto mache, überholen mich zwei Rennradler, die die Abfahrt offensichtlich auch genießen. Schließlich ist auf rund 770m Höhe die Abfahrt beendet und es geht wieder kräftig bergauf. Im Ort la Serre heißt das kurz sogar um 14%. So steil war es bei keinem der Alpenpässe.
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Hinter Castellet-St-Cassien steigt die Strasse nun mit 5-8% in mehreren Kehren auf über 1.100m zum Col de Trébuchet an. Immer wieder bieten sich schöne Blicke zurück auf die bisherige Route.
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Schließlich ist der kleine Paß erreicht.
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Nun folgt eine schöne Höhenstrasse, die mir mein Freund Sven empfohlen hat. Herrliche Panoramablicke bieten sich in Richtung Süden. Gelegenheit, mal ein Selbstauslöserfoto zu machen.
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Die Strasse führt anschließend in Kehren etwas nach unten, bleibt aber dann bis la Rochette wieder auf fast gleicher Höhe mit schönen Ausblicken. Nach La Rochette geht’s in flotter Fahrt bergab.
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Schließlich ist die D2211 auf einer Höhe von 600m erreicht. Ich fahre links und gleich wieder rechts auf einer wieder absolut ruhigen Strasse Richtung St-Antonin. Mir fallen die zahlreichen Verbotsschilder zum Championpflücken auf.
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Ich frage mich beim Aufstieg, was es damit auf sich hat. Vielleicht sind die Pilze ja giftig oder sollen halt vermarktet werden. Beides zusammen wäre schlecht ;-). Der Aufstieg in der Mittagshitze gestaltet sich zäh. Rund 40km liegen schon hinter mir. In St-Antonin ist „tote Hose“, so dass ich gleich nach einem Foto weiterfahre.
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Aber es geht ja auch noch immer weiter bergauf. Schatten spendende Bäume sind Mangelware. Oben auf einem Berg sehe ich einige Autos in der Sonne glitzern – da muss ich ja wohl nicht mehr hoch. Doch die Strassenführung belehrt mich später eines Besseren. Schließlich wird die D27 erreicht und damit rückt das Ziel näher: noch 62km sind es bis Nizza!
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Weiter geht es in der ätzenden Hitze nach oben – aber endlich aber ist Ascros erreicht. Ein schöner Ort auf 1.150m Höhe. Hier mache ich Rast bei einem guten Espresso und – natürlich – einer Orangina.
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Von der Terrasse der Bar aus ist der weitere Straßenverlauf gut auszumachen. Die Weiterfahrt verspricht ein Genuss zu werden.
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Nachdem eine kleine Gruppe von Motorradfahrern eintrifft (die ersten und einzigen, die mir heute begegnen), breche ich auf. Kurz nach der Abfahrt noch einmal ein Blick zurück auf Ascros, der Ort, den ich fast verflucht hätte.
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Aber diese wundervolle Panoramastrasse war es wert. Die nächsten rund 20 km verlaufen über einer Höhe von 900m, praktisch ohne Verkehr, immer leicht bergab und mit super Ausblicken.
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Auf immer noch 1099m wird der Col de Ve Gautier passiert, der eigentlich gar kein richtiger Pass ist, sondern am Hang einen Bergvorsprung durchsticht – nur wenige Meter geht es kurz bergauf.
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Auch im weiteren Verlauf bietet die Strasse immer wieder schöne Tiefblicke.
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Und praktisch kein Auto weit und breit – dabei ist die lebhafte Côte Azur nur 25km Luftlinie entfernt. Man muss aufpassen, dass man bei der flotten Fahrt und den Blicken in die Natur nicht Kurs auf den nächsten Abhang nimmt.
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Immer wieder werden Orte durchfahren, die am Hang kleben, und mehr und mehr geht es bergab. Links tritt der markante Mont Vial ins Blickfeld, an dem Nebelschwaden hinauf ziehen. Auf etwa
610m Höhe gibt es nun zwei Fahrtmöglichkeiten: Entweder direkt weiter nach unten oder weiter oberhalb am Hang entlang über Bonson. Ich fahre über Bonson, was sich als sehr lohnend herausstellt. Die Strasse quert den kleinen Möchtegernpass Col de Rostan
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Herrlich ist von hier aus der Blick auf das Dorf Bonson, das über dem Tal des Flusses Le Var thront, und gegenüber auf den Eingang der Schlucht Gorges de la Vesubie.
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Die Strasse führt nun durch den schönen Ort Bonson und interessant trassiert weiter nach unten. Schließlich laufen auf einer Höhe von 300m beide Routen wieder zusammen hinunter zur Pont Charles Albert in das Tal des Var. Nun kommt der weniger schöne Teil der Tour. Es sind immerhin noch knapp 30km bis Nizza und das stark befahrene Tal und die dortige Industrie Versprechen kein landschaftlicher Leckerbissen zu werden. Aber so schlimm war es dann doch nicht. Inzwischen gibt es einen Radweg, der unabhängig vom Verkehr Richtung Meer führt und flott befahren werden kann.
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An der Pont de la Manda habe ich dann aber den Fehler gemacht und auf das Ostufer des Var gewechselt, da der Radweg zu enden schien (was aber nicht stimmte, wie sich später herausstellte). So bin ich am Ostufer 8km an der vierspurigen D6202 entlang gefahren, was angesichts mehrerer Blumensträuße am Strassenrand für Opfer an dieser Strasse kein Vergnügen war. In St-Isidore konnte ich dann endlich auf die ruhigere Strasse am Hang ausweichen, die mich dann sicher nach Nizza geführt hat. Schnell ging’s durch die westliche Innenstadt auf die Ostseite des Flughafens und dann war endlich das Meer erreicht. Was für ein Gefühl nach rund 650km und vor allem 12.000 Höhenmetern hier nun an der berühmten Promenade des Anglais anzukommen. Einfach schön und etwas Stolz ist auch dabei!
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Im Überblick:
Etappe: Rouaine – Nizza, 110km
bergauf: 1.399m
bergab: 2.085m

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9. Etappe: Val Pelens – Rouaine

Der heutige Tag war wieder ein Höhepunkt. Gut, dass ich gestern in Val Pelens abgestiegen bin. Am Vorabend bin ich noch einmal zu dem schönen Aussichtspunkt gelaufen mit herrlichem Blick in die Haute-Provence.
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Beim leckeren Abendessen bin ich mit der Besitzerin der Auberge ins Gespräch gekommen. Sie war als Kind viele Jahre in Weingarten bei Karlsruhe und spricht deshalb sehr gut deutsch. Klein ist die Welt!
Heute Morgen dann nach dem Frühstück draußen auf der Terrasse in der Morgensonne hat sie sich dann auch besonders herzlich verabschiedet.
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Der weitere Aufstieg zum Col des Champs hat es in sich – aber die Natur entschädigt für alles. Schließlich ist das Ziel schon auszumachen.
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Und vor allem habe ich die Strasse fast für mich allein – bis zum Col kein einziges Auto. Dafür aber Tiere. Die angekündigten Schafe sehe ich zwar nicht.
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Aber dafür queren mehrmals Murmeltiere die Strasse und schauen einen mitleidig an – so nach dem Motto „Wie kann man nur so doof sein und hier am frühen Morgen hochradeln?“
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Dem ganzen die Krone setzt schließlich eine Schlange auf, die sich mitten auf der Strasse sonnt.
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Mehr und mehr gewinnt man an Höhe – die zum Teil über 10% sind ganz schön giftig. Gestern wäre das doch zu heftig geworden. Schließlich ist eine Art Pass erreicht – ein herrlicher Blick zurück auf das Geleistete.
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Die eigentliche Paßhöhe des Col des Champs ist jedoch noch 800m entfernt. Fast eben verläuft die Strasse bis dahin und nun kommt auch ein erstes Auto entgegen. Am Col bin ich fast alleine. Eine Familie zieht sich ihre Wanderschuhe an und der Vater macht gerne für mich ein Foto.
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Er kann es kaum fassen „Von Genf nach Nizza mit dem Fahrrad – unglaublich“. Jetzt, wo es nicht mehr weit bis zum Ziel ist, kommt doch etwas Stolz auf. Ich genieße noch fast eine Stunde die herrliche Ruhe, die klare, angenehm temperierte Luft (nach der ich mich später noch zurück sehne) und den schönen Ausblick am Col, bevor es dann wieder bergab geht.
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Der Zustand der Strasse auf der Talfahrt ist miserabel. Viele Wellen und Schlaglöcher erfordern eine vorsichtige Fahrweise.
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Nur selten kommt allerdings ein Fahrzeug entgegen; auch Radfahrer sind eine Seltenheit – vermutlich scheuen Rennradler den schlechten Strassenbelag. In vielen Kehren geht es durch den Kiefernwald talwärts. An einem kleinen Aussichtspunkt hat man eine schöne Aussicht auf Colmars, das mit einer schönen Altstadt in einer Stadtmauer aufwartet.
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Fast allgäumäßig sieht die Natur hier aus.
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In Colmars treffe ich auf die Strasse vom Col d’Allos. Was für ein Kontrastprogramm zu den ruhigen Strassen über den Col de la Cayolle gestern und heute über den Col des Champs – Wohnmobile, LKWs, Motorräder fahren vorbei. Ich drehe erstmal eine Runde durch die hübschen Altstadtgassen.
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Auf der Karte entdecke ich, dass es bis Beauvezer eine Parallelstrasse durch die Dörfer gibt. An sich sehr ruhig hier, wenn nicht ständig ein Lautsprecherfahrzeug nebenher fahren würde, dass eine Veranstaltung am heutigen Abend in Colmars ankündigt. In Beauvezer fülle ich mir an einem Brunnen den Getränkevorrat auf. Schließlich ist es mittlerweile deutlich über 30 Grad und über 30km stehen noch vor mir.
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Hinter Beauvezer gibt es nun keine Alternative zur stark befahrenen D908. Immer wieder kommen Kieslaster entgegen. Aber insgesamt geht es dann doch ganz gut. Schließlich ist die Abzweigung nach Annot erreicht.
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Hier sieht man auch den Grund des relativ starken LKW-Verkehrs – ein großes Kieswerk.
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Das nun folgende Stück auf der D908 ist fast ganz ohne Verkehr und herrlich trassiert. So verläuft das schmale Strässchen mit 3-5% Steigung aussichtsreich am Hang langsam nach oben.
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Indem jedes Seitental „mitgenommen“ wird, ist der Höhengewinn in den Beinen kaum spürbar -aber an der Aussicht und dem mittlerweile steilen Abhang, der an exponierten Stellen durchaus respekteinflößend ist
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Im Haupttal fließt der Verdon. Außerdem sieht man die Kunstbauwerke der Schmalspurbahn von Nizza nach Digne – eine der wenigen Schmalspurbahnen, die in Frankreich überhaupt noch in Betrieb ist.
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Schließlich wendet sich die Strasse vollständig nach Osten und la Colle St-Michel auf der Paßhöhe ist erreicht, das einen unspektakulären Eindruck macht. Deshalb geht es gleich weiter wieder bergab.
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Die Talfahrt ist wirklich ein Vergnügen. Eine überbreite nicht allzu steile Strasse mit relativ guter Übersicht und sehr wenig Verkehr. Ich frage mich, wozu die Strasse so breit ist – vielleicht als Ausgleich für die größtenteils einspurige Auffahrt auf der anderen Seite des Passes? Immer wieder gibt es schöne Ausblicke auf die Berge und die Bahn von Nizza nach Digne. Besonders schön ist der Blick auf Méailles.
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Schließlich wird Annot erreicht, in dem ich mir eine Unterkunft suchen möchte. Statt auf der Hauptstrasse ins Zentrum zu fahren, nutze ich die engen Altstadtgassen.
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Im Zentrum an der Hauptstraße wieder angekommen, gönne ich mir erstmal ein verdientes Eis und natürlich einen Kaffee und die Orangina des Tages.:-)
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Die Hotelsuche gestaltet sich im Anschluss schwierig. „Complet“ heißt es in den beiden Häusern am Platze, so dass ich in der Turisteninformation nachfrage. 6km außerhalb ist noch etwas zu bekommen – zum Glück in Fahrtrichtung! Da vermutlich dort kein Laden ist, decke ich mich in Annot mit Getränken für morgen ein.

Nach 2km wird die Nationalstraße N202 erreicht: Nizza 84km! Es ist nun wirklich nicht mehr weit. Allerdings ist der direkte Weg auf der N202 gar nicht zu empfehlen. Irgendwo im Internet habe ich gelesen, dass aufgrund des starken Verkehrs und der Trassenführung diese Strasse zu den gefährlichsten Frankreichs gehört. Also geht’s nach rechts wieder etwas bergauf in Richtung Digne.
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Der Verkehr ist um diese Zeit relativ moderat, so dass ich mich etwas an der Gorges de la Galan erfreuen kann.
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Endlich ist das vielleicht 30 Einwohner zählende Nest Ruaine erreicht.
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Aber immerhin gibt es hier ein Hotel. Das Fahrrad darf in der Hotelhalle parken und ab geht’s unter die Dusche.
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Danach setze ich mich in die kühle Bar. Die Hoteldame besorgt mir sogar einen WLAN-Code (25 Zeichen!) und bei zwei 1l Flaschen Mineralwasser schreibe ich diesen Blog. Parallel hört man, wie in der Küche eifrig geschnippelt wird und später steigen provencialische Gewürzdüfte in die Nase – ich freue mich aufs Essen!
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Im Überblick:
Etappe: Val Pelens – Rouaine, 65,4 km
bergauf: 1.065m
bergab: 1.810m (das Mittelmeer ist nicht mehr weit! 🙂 )
Karte Copyright by geoportal/IGN
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